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Geschichte

 

Von König Arthur, Robin Hood und Brian Gamlin
Zur Geschichte des Dartspiels

Auf den Spuren der ersten Darter kommt man leicht ins Fabulieren. Denn wo, wie und wann ihr Spiel entstand, davon ist wenig Stichhaltiges überliefert. Gemeinsam ist fast allen Theorien, daß sie um England kreisen, eine militärische Vorgeschichte vermuten und ausgesprochen unterhaltsam sind. Ganz kühne Spekulationen führen den Dartsforscher in die Keltenzeit des ersten Jahrhunderts nach Christus.
" Es ist eine feste historische Tatsache",  wird da voll Nationalstolz erzählt, "das Boadicea, Königin der Urbriten, ihr kriegerisches Können beim Dartswerfen verfeinerte." Eine Vorform des Spiels soll natürlich auch der sagenhafte König Arthur gepflegt haben, doch leider bleibt es bei solch allgemeinen Behauptungen.
Ein Vorläufer des Dart im 17 Jahrhundert

Schon ein wenig konkreter lesen sich Schilderungen über Darts im Mittelalter. Damals schoß niemand geschickter mit Pfeil und Bogen als die Angelsachsen (Robin Hood!). Königliche Schützen brachten den Franzosen fürchterliche Niederlagen bei, zum Beispiel 1415 in der Schlacht bei Azincourt. Angeblich fiel dieser Sieg der Engländer nur so gründlich aus, weil sie vorher eifrig trainiert hatten – mit abgebrochenen Pfeilspitzen, die sie auf die Altersringe von Baumstammscheiben warfen.  In regnerischen Friedenszeiten langweilten sich die englischen Krieger auf ihrer Insel. Also verlegten sie – das besagt jedenfalls eine Variante der Ancecourt-Theorie – die ritterlichen Turniere einfach in Wirtshäuser. Dort wurde mit verkürzten Pfeilen und ohne Spanngerät auf die Scheiben frisch gefällter Stämme gezielt.

Doch die Kritik an beiden Stories ist berechtigt: Erstens fehlen einem abgebrochenen Pfeil die Federn, die ihn auf eine berechenbare Flugbahn bringen. Und was haben Bogenschützen schon davon, wenn sie mit einem wesentlich leichteren Flugkörper üben, den sie obendrein mit der Hand losschicken? Da hätten die mittelalterlichen Mannen besser auf rund 50 Zentimeter lange, kräftige Kampfpfeile zurückgegriffen, die um 550 nach Christus im östlichen Mittelmeerraum benutzt wurden. Auch das hat aber kaum den großen Wurf zum Dartspiel englischer Prägung gebracht. Denn zum einen sind dafür nicht die geringsten schriftlichen oder bildlichen Belege aufgetaucht. Und zum anderen sprachen die Engländer erst nach 1300 von "dartes" oder "darttes" – Ausdrücke für Pfeile und Lanzen, die allerdings zum Kämpfen oder Jagen eingesetzt wurden.

Nicht nur der Zeitvertreib gewöhnlicher Krieger wird gern herangezogen, um Englands lange Darts-Tradition zu beweisen. Immerhin bekam 1530 auch König Heinrich VIII einen Satz reichverzierter Darts geschenkt - vermutlich kurze Speere, mit denen er jagte. Bedenkt man das Schicksal der Frau, die ihm das Präsent überreichte, so maß er ihm nicht allzuviel Bedeutung bei: Der Monarch ließ Anne Boleyn eiskalt köpfen. Knapp 100 Jahre später sollen sogar die Pugrim Fathers, Englands strenggläubige Auswanderer, auf der Überfahrt nach Amerika ihre weißen Hemdkragen gelockert und ihre mächtigen schwarzen Hüte abgelegt haben, um dem Pfeilchenwerfen zu frönen. Doch auch diese Kolportage steht auf schwankendem Boden, was jeder bestätigen wird, der jemals auf hoher See versucht hat, ein Dartsboard zu treffen.

Erst um die letzte Jahrhundertwende verdichten sich handfeste Hinweise, die England zum Mutterland von Darts machen. 1896 ordnet der Zimmermann Brian Gamlin aus Bury in Lancaster die Zahlen auf dem Zielbrett in eben der Reihenfolge an, die bis heute gilt. 1901 erscheint im »Stationer, Printer & Fancy Trades Register« eine Anzeige über »Dart Boards«. Eine Provinzzeitung aus Lancashire vermeldet 1902 die ersten Darts - Würfe mit 180 Punkten, also der Höchstzahl. 1906 ersetzt ein Yorkshireman den hölzernen Dartkörper durch Metall. Bereits acht Jahre zuvor ist (in den USA) der erste faltbare Papier-Flight patentiert worden, nachdem bis dahin Truthahnfedern am Pfeilende den Flug stabilisiert haben.

1908 wird es amtlich, daß Darts ein Geschicklichkeitsspiel ist - für seine Verbreitung ein wichtiger Fortschritt. Zu danken ist er dem couragierten Gastwirt Foot Anakin aus Leeds. Angeklagt, daß er in seinem Pub ein Glücksspiel mit kleinen Pfeilen und einer Zielscheibe dulde, tritt er im Gerichtssaal die Offensive an. Ein Hauch von Wilhelm Tell liegt in der Luft, als Foot - so genannt wegen seiner enormen Füße - vor den Richtern ein Board aufhängt. Der Gastronom holt seine Geschosse hervor und wirft sie tock ... tock ... tock ins 20-Punkte-Dreieck. Zur Steigerung der Beweiskraft bittet er die Amtsträger, sie mögen es ihm gleichtun. Ein Gerichtsdiener nimmt die Herausforderung an und trifft mit den zwei ersten Pfeilen nicht einmal die Zielscheibe. Foot Anakin soll daraufhin sogar dreimal die double 20, das oberste kleine Punktfeld, getroffen haben. Von soviel Können beeindruckt, fällt der Magistrat das folgenreiche Urteil: »This is no game of chance« - »Dies ist kein Glücksspiel«. So kann Darts nun endgültig die Pubs erobern.

Die industrielle Revolution, unbestritten eine englische Erfindung, hat somit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwei Beiträge zur Dartsgeschichte geleistet: Der massive Metallkörper des Wurfpfeils war ein winziges Nebenprodukt dieser Epoche, und in Englands Industriezentren schlug das harmlose Spiel mit den kleinen Pfeilen groß ein. Für die workers bot der preiswerte Kneipensport Entspannung vom harten Einerlei in Minen und Fabriken. Daß die Städte auf der Insel nicht weit voneinander entfernt liegen, begünstigte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Wettkämpfe unter den Besten - Härtetests, die GB zum führenden Markenzeichen in der Dartswelt machten. Wohl die wichtigsten Förderer dieses Sports in beiden Weltkriegen waren britische Soldaten. Manche öde Gefechtspause verbrachten sie mit Pfeilchenschleudern.

Ob Schweden oder Jamaica, Bahrein oder Holland, die Philippinen oder Australien - Darts wird heute rund um den Globus gespielt, zunehmend auch in Ländern wie Ungarn, Tschechische Republik und Rußland. 48 nationale Darts-Organisationen vereinen 3,5 Millionen Mitglieder und sind in der World Darts Federation (WDF) zusammengeschlossen. Hinzu kommen Länder mit Darts-Verbänden, die nicht zur WDF gehören. Ungezählt sind die Gelegenheits-Darter, die nicht verbandsmäßig organisiert sind. Großbritannien aber ist die Bastion dieses Sports geblieben. Rund zwei Millionen Aktive spielen dort wettkampfmäßig Darts, weitere zwei Millionen just for fun.

Fernsehübertragungen mit Zuschauerquoten, die fast Wimbledon-Werte erreichten, haben Darts in England in den siebziger Jahren zum Massensport gemacht. Der Darts-Vollprofi wurde geboren, der im Namen von Brauereien, Tabakfirmen und Darts-Artikel-Herstellern aus dem Koffer lebt. In den letzten Jahren muß sich Darts verstärkt anderer Spielangebote wie Snooker und Poolbillard erwehren. Trotzdem setzt die britische Pfeil- und Zielscheiben-Branche jährlich immer noch rund 30 Millionen Pfund mit Darts-Produkten um, wovon über die Hälfte exportiert wird.

Auch geldschluckende Darts-Automaten machen dem Traditionsspiel zusehends zu schaffen. Trotzdem wird die klassische Spielart weiterhin Anhänger finden. Denn wie urteilte schon 1924 eine englische Darts Vereinigung: lt is cheap, clean and skilful- »billig, sauber und ein Spiel voller Gewandtheit« sei Darts. Ein Spieler aus Hessen meinte anno 1993: »Am schönsten finde ich an Darts, daß es völlig egal ist, ob man groß oder klein, dick oder dünn, Links- oder Rechtshänder ist.« Dem wäre nur hinzuzufügen: Es spielt auch keine Rolle, ob ein Dartswerfer jung oder alt, Groß- oder Kleinverdiener ist. Und von welchem Sport kann man das noch sagen?